Gegen halb drei Uhr morgens war ich dann im Bett. Irgendwie musste ich dabei aber vergessen haben, den Wecker zum Sonnenaufgang zu stellen. Beim Frühstück schien die Hälfte der Gäste gerade vom Eisstrand zurückgekommen zu sein, demonstrativ lagen auch noch die Kameras auf dem Tisch. Jetzt brachte das Ärgern aber auch nichts mehr! Ich genoss statt dessen mein Frühstück. Das war hier wirklich reichhaltig und gut. Nach dem Frühstück ging es zum Eisstrand. Die Sonne stand noch tief überm Meer und bot so die Möglichkeit, die Eisblöcke im Gegenlicht in Szene zu setzen. Vor allem wenn man sich hinknien musste, leistete die Wathose gute Dienste, diesmal passte ich aber auf, das Stativ nicht unnütz ins Wasser zu stellen und keinesfalls umfallen zu lassen. Von Süden her zog es inzwischen langsam zu und auf dem Weg zum Svatifoss war es dann vollends bedeckt. Leider wurde der Himmel dabei aber auch nur einförmig trüb, ohne gute Struktur in den Wolken zu bekommen. Am Nationalparkzentrum warnte ein Hinweis, der Weg zum Svatifoss wäre sehr vereist und nur auf eigene Gefahr zu begehen. Ich machte mich trotzdem auf den Weg, nahm aber die Teleskopstöcke mit. Mein entzündetes Knie machte mir leider inzwischen heftig zu schaffen. Der Weg war gut passierbar, gut ausgebaut und nur an einigen Stellen eisig, wobei die Stöcke dann eine gute Hilfe waren. Fotografisch war am Svatifoss nichts zu hohlen. Die Basaltsäulen dunkel, der Himmel hell und strukturlos und die Blöcke im Grund der Schlucht verschneit. Es wurden also mehr ein paar Erinnerungsfotos. Auf der Rückfahrt biege ich diesmal in die Stichstraße zum Svinafellsjökull ab. Obwohl die Piste sehr vereist ist und auch sonst nach wenig Verkehr aussah, warteten am Parkplatz schon einige Autos. Der Blick auf die Gletscherzunge mit ihrem völlig zugefrorenen See war auf den ersten Blick noch nicht so umwerfend, je weiter man aber dem kleinen Pfad hangaufwärts folgte, desto besser wurde der Blick auf den zerrissenen, an vielen Stellen wunderbar blau schimmernden Gletscher.
Je weiter man dem Pfad folgte, um so ausgesetzter wurde es und immer wieder poltern mit dem tauenden Eis kleine und größere Brocken aus den Wänden über mir ins Tal.
Auf der Rückfahrt kam kurz vor Jökulsárlón überraschend wieder die Sonne heraus und im Windschatten an der Lagune war es fast schon warm. Unter diesen Umständen gab es den Pausenkaffee diesmal sogar draußen in der Sonne im Windschatten der Imbisshütte. Das war sehr angenehm und ich nahm mir reichlich Zeit, auch um ein paar Reisenotizen zu vervollständigen. Die inzwischen wieder tiefer stehende Sonne bot noch einige gute Gelegenheiten, an der Lagune und am Eisstrand Aufnahmen im Gegenlicht zu machen. Lange vor Sonnenuntergang und bevor das Licht noch Farbe annehmen konnte, verschwand die Sonne dann aber hinter einem dicken Wolkenband im Südwesten. Zum späteren Abend zog es immer mehr zu und auch in der Nacht waren eher Schneeflocken und Regen zu sehen als Sterne.
Die Straßen im Nordosten waren immer noch unpassierbar. Das betraf inzwischen zwar nur noch den Abschnitt zwischen Egilsstaðir, aber es half trotzdem wenig. Zwischendurch war sogar die Strecke auf der anderen Seite, Öxnardalsheiði, zwischen Reykjavík nach Akureyri gesperrt gewesen, inzwischen aber wieder frei. Daraufhin hatte ich am Vortag zunächst die nächsten zwei Übernachtungen auf der Nordostroute storniert, solange das noch kostenfrei ging. Jetzt präsentierte mir booking.com einen günstigen Deal für das Gullfoss-Hotel. Das buchte ich und richtete mich damit endgültig auf den Riesenumweg um die halbe Insel ein. Bei einer Übernachtung am Gullfoss wäre dort vielleicht noch etwas zu fotografieren und der Umweg gegenüber einer Übernachtung im Großraum Reykjavík insgesamt zu verschmerzen. Am morgen regnete es leicht und der Wind hatte deutlich an Stärke zugenommen. Wenn ich das lange Stück wieder zurück mußte, wollte ich wenigstens noch ein paar Sehenswürdigkeiten unterwegs mitnehmen. Das Flugzeugwrack irgendwo auf dem Sander, Der „Kirchenfußboden“ und noch ein paar Kleinigkeiten. Die Fahrt ging zügig, obwohl aus dem Niesel bald kräftiger Regen wurde. Den Kirchenfußboden (Kirkjugólf) in Kirkjubæjarklaustur verschob ich in Anbetracht des strömenden Regens auf spätere Reisen. Die asiatischen Reisenden, die kurz vor mir immerhin noch tapfer ausgestiegen waren, kapitulierten gerade ebenfalls in der völlig aufgeweichten Schafsweide, in deren Mitte die Basaltsäulen sind.
Im Internet hatte ich eine Beschreibung mit Bild des Abzweiges, der zum Flugzeugwrack führen sollte, gefunden und achtete nun ständig mit Argusaugen auf die Landmarken. Hätte ich lieber mal richtig gelesen! In Vik angekommen, war Flut und das Meer wurde vom Sturm gepeitscht. Aus dem Plan, vielleicht doch noch bei Ebbe Bilder der Klippen zu bekommen, wurde also auch nichts. Nach einem kurzen Stopp im örtlichen Supermarkt ging es weiter. Und plötzlich war sie da, die Zufahrt zum Flugzeugwrack, an einer Stelle, an der ich nun überhaupt nicht mehr damit gerechnet hatte. Sturm und ausgewaschener Fahrweg schüttelten das Auto gleichermaßen.
Dann landete ich auf dem schwarzen Lavasander und folgte den Fahrzeugspuren, bis das Flugzeug doch tatsächlich vor mir auftauchte. Als ich die Tür öffnen wollte, ging das zunächst nicht, der Sturm drückte so stark dagegen. Das Wetter war natürlich alles andere als geeignet zum Fotografieren! Der Sturm trieb Regen und Graupel waagerecht vor sich her und nach zwei drei Bildern musste erst mal die Frontlinse wieder getrocknet werden.
An den Südhängen unterm Eyjafjallajökull trieb der Sturm die Wasserfälle, die sonst von der Seljalandsheiði gerade harab stürzen, nach oben aus der Wand. Auf den ersten Blick hatte ich angenommen, es würde dort etwas brennen.
Kurz vor Geysir hörte der Regen endlich auf und auch auch der Sturm ließ nach. Am Geysir kann ich die Sache mit dem Eintritt selbst ausprobieren. 600 Kronen, dafür wurde ich auch arbeitsteilig von vier Leuten betreut. (Es war aber auch gerade kein Bus angekommen.) Ich versuche ein paar Zyklen lang die markante blaue Blase, mit der die Eruption meist beginnt, zu fotografieren – mit mäßigem Erfolg.
Mein Versuch, den Brurafoss anzufahren, endete in mehreren Sackgassen und es war dann zum Laufen auch schon zu spät. Dafür gab‘s zwei kurze Shopping Intermezzi im Shop am Geysir und am Gullfoss. Für Fotos taugte das Licht leider nichts mehr. Im ganzen Gullfoss-Hotel waren zwei Zimmer belegt, am Geysir hatte es noch deutlich voller ausgesehen. In der Nacht schneite es. Ich bekam Zweifel, ob die Idee mit dem Abstecher hier raus so gut gewesen war, als ich den Straßenzustand online checkte und für die Verbindungsstraßen nach Borganes blau („sippery“) angezeigt bekam. Der Rest der Strecke war aber meist grün, einige Strecken im Norden dann gelb.
„Slippery“ entpuppte sich als durchgehende Eisdecke auf der Straße. Was zu hause zu Albträumen führen würde, ließ sich dank der Spikes aber ganz gut fahren, zumal bald die Sonne herauskam und das frische Weiß herrlich erstrahlte. Schade, dass ich einen solchen Schönwettertag nun auf der ewig langen Strecke von Geysir zum Myvatn verbringen musste. 560 km wollten erst mal abgespult werden, zumal bei 90 km/h Höchstgeschwindigkeit!
Am Ende lief aber alles ganz gut und schon kurz vor drei Uhr rollte ich am Goðafoss vor. Die Sonne war immer noch prall und der Himmel wolkenlos. Mit diesem Licht war der Wasserfall nicht ganz einfach in Szene zu setzen. Die Belichtungsgegensätze waren extrem. Nach der Westseite versuchte ich auch zur Ostseite zu kommen. Der Weg dorthin führt durch knietiefe Verwehungen und in meiner Einfalt war ich natürlich ohne Schneeschuhe, wenigstens aber mit Gamaschen losgezogen. An der Ostseite kommt man auch gut ans Wasser hinunter, im Sommer zumindest, mit viel Schnee war es doch recht schwierig. Unten am Wasserfall war die Beleuchtungssituation noch schwieriger. Etwas über eine Stunde arbeitete ich am Wasserfall, dann brachte ich die letzten 50 km bis zum Myvatn hinter mich. Nach einem kurzen Check in wollte ich so viel wie möglich noch das schöne Sonnenlicht nutzen.
Das Geotermalfeld Hverarönð im Schatten des Námafjall war eines der Ziele. Die Zufahrt wurde von einer Schneefräse tief freigelegt und so fuhr man durch den metertiefen Graben und hatte kaum mehr Platz als eine Autobreite.
Da das Areal aber schon im Schatten lag, hielt ich mich nicht lange dort auf. Die Felssäulen am Kalfaströnd sah ich mir an und drehte noch ein paar Runden, bevor ich mich zum Sonnenuntergang zurück zum Goðafoss aufmachte. Herrschte den ganzen Tag greller Sonnenschein, so zog sich jetzt ein dickes Wolkenband am Westlichen Horizont zusammen und damit war es aus mit wirklich guten Lichtstimmungen. Ich stapfte trotzdem bis zum Aussichtspunkt oben am Ostrand des Wasserfalls. Diesmal benutze ich auch die Schneeschuhe. Dadurch wurde der Zugang deutlich angenehmer und schneller.
Das rettete das fehlende Licht, aber leider auch nicht mehr.
Ziemlich erfolglos ging es alsbald zurück zum Hotel Myvatn.